Viele Lokführer übermüdet und schlecht ausgebildet
Vor allem bei privaten Güterbahnen herrschen haarsträubende Zustände. Den Führerschein gibt es auf dem Schwarzmarkt.
Am 21. April 2010 bricht der Lokführer Tom Bernhard zu einer Dienstfahrt auf. Um 5.30 Uhr sitzt Bernhard im Führerstand. Die Waggons hinter der roten Lok, Baureihe 185, reihen sich auf einer Länge von 500 Metern. Bernhard verlässt den Bahnhof Emmerich am Niederrhein, durchfährt das Ruhrgebiet über Gladbeck und Hamm gen Osten. Sein Ziel ist Bad Schandau in Sachsen, Grenzübergang zu Tschechien.
Bernhard, der in Wirklichkeit anders heißt, kann viele solcher Geschichten erzählen. Seit mehr als 20 Jahren ist der Berliner Lokomotivführer. Er hat auch schon mal 20 Stunden lang einen Zug gesteuert. Von der Deutschen Bahn hat ihn sein Berufsweg zu einer Vielzahl von privaten Zugunternehmen geführt. Was er dort erlebt hat und was von Bahnexperten bestätigt wird, ist dramatisch.Als Bernhard dort ankommt, ist es 22 Uhr, ein Arbeitstag von 16 Stunden und 30 Minuten liegt hinter ihm. Er hat sich zusammengerissen, ist nicht eingeschlafen und hat kein Signal überfahren. Es ist mal wieder gut gegangen.
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Explosive Chemikalien auf der Schiene
Auf Deutschlands Schienen sind Geisterfahrer mit Güterzügen unterwegs. Sie fahren Neuwagen, Rohstoffe und explosive Chemikalien durch das Land, übermüdet von langen Arbeitstagen und oftmals schlecht ausgebildet. Im schlimmsten Fall sind sie eine tödliche Gefahr.
Unterhält man sich mit Zugführern und Menschen, die sich im Bahnverkehr auskennen, stößt man auf einen beinahe rechtsfreien Raum im ansonsten so regelungsfreudigen Deutschland. Die Zustände bei privaten Güterbahnen erinnern an die Sitten zwielichtiger Lastwagenspeditionen aus Osteuropa. Es ist eine Grauzone, in der kaum kontrolliert wird, wie es um die Einhaltung der Arbeitszeiten bestellt ist.Am 29. Januar dieses Jahres, es ist ein Sonntag, stößt um 21.37 Uhr in Hordorf bei Magdeburg ein Güterzug mit einer Regionalbahn zusammen. Zehn Menschen sterben, 23 werden schwer verletzt. Bis heute dauern die Ermittlungen an. Was man weiß, ist, dass der Fahrer des Güterzuges zwei Haltesignale übersehen hat. In den Ermittlungen geht es auch darum, wie viele Stunden er im Einsatz war. Und wie es um seine Kenntnisse als Lokführer bestellt ist.
Selbst an einheitlichen Ausbildungsstandards fehlt es. Ein allgemeingültiger Führerschein existiert schlichtweg nicht. Dubiose Weiterbildungsinstitute bieten Schnellkurse für Arbeitslose an, die sich nach einem halben Jahr auf der Schulbank Lokführer nennen dürfen – ohne jede Praxiserfahrung zu haben.
Ohne Einführung und Lehrfahrt
Tom Bernhard wollte vor zwei Jahren nach einer Schicht, die ihn nach Passau führte, mit einem Kollegen zurück Richtung Berlin. Am Güterbahnhof standen sie vor einer Lok der Baureihe 183, tonnenschwere Waggons waren angespannt. Bernhards Kollege fuhr zum ersten Mal eine solche Lok. Auf die übliche Einführung und Lehrfahrt hatte sein Unternehmen verzichtet. „Ich musste ihm zeigen, wo man das Licht anschaltet“, erzählt Bernhard. Wie aufmerksam verfolgt jemand, der an einem fremden Fahrpult sitzt, noch die Signale an der Strecke?
Helmut Diener beobachtet die Zustände schon seit Jahren. Diener ist Geschäftsführer des Vereins Mobifair, der vor allem die Arbeitsbedingungen von Lokführern im Blick hat. In Deutschland, sagt Diener, sei es nicht besonders schwer, ohne legale Prüfung Lokführer zu werden. „Einen Führerschein mit Betriebserlaubnisblättern (Lokführerschein-Klassen) kann man sich auf dem Schwarzmarkt leicht beschaffen. Die Behörden sind bei diesem Thema völlig überfordert“, sagt der Mann, der selbst mal Lokführer war.
Prüfung ohne staatliche AufsichtVor der Privatisierung des Bahnverkehrs gab es nur ein Unternehmen, das bestimmte, wer als Lokführer fahren darf. Die Deutsche Bahn bietet bis heute eine dreijährige Ausbildung zum Lokführer an. Die offizielle Bezeichnung lautet „Eisenbahner im Betriebsdienst“. Doch seitdem auch Konkurrenten Personen- und Güterstrecken befahren dürfen, ist der Bedarf an Lokführern in die Höhe geschnellt. Aktuell gibt es rund 26.000 – und der Bedarf ist weitaus höher. Allein die Deutsche Bahn sucht aktuell 500 Lokführer. Hinzu kommen die vielen offenen Stellen bei Privatbahnen – Leute, die Bahnen fahren können, sind Mangelware. Da sind Überstunden fast zwangsläufig. Gleichzeitig werden landauf, landab Menschen aus anderen Berufen zum Lokführer umgeschult.
„Es gibt zwar inzwischen einen einheitlich zertifizierten Führerschein“, sagt Diener. Aber nirgends im Land werde zentral erfasst, wer alles über eine solche Betriebserlaubnis verfügt. Denn die Prüfung zum Lokführer erfolgt nicht zentral unter staatlicher Aufsicht. Jedes Bahnunternehmen beschäftigt einen sogenannten Eisenbahnbetriebsleiter. Der bestimmt, wer fahren darf – und so mancher Eisenbahnbetriebsleiter macht Leute zu Lokführern, die keinerlei Eignung haben, die nichts über Streckenbesonderheiten wissen und mit den Steuerpulten der Lokomotiven fremdeln.
„Derzeit legt das jeweilige Bahnunternehmen, das Lokführer sucht, die Ausbildungszeit fest“, sagt Diener. Das kann ein halbes Jahr oder ein Jahr sein, je nachdem wie viele Mitarbeiter gesucht werden. Werden schnell neue Lokführer gebraucht, dann spart man halt an der Ausbildungszeit. „Es ist dringend notwendig, dass eine öffentliche Stelle diese Ausbildung begleitet und die Prüfung abnimmt, zum Beispiel eine Industrie- und Handelskammer“, sagt Diener.
Wer lange genug im Bahn-Konzern recherchiert, bekommt schließlich einige spärliche Informationen. Demnach wurden in den vergangenen Jahren viel häufiger als früher Haltesignale überfahren. Solche „meldepflichtigen Vorfälle“ stehen fast immer am Anfang tödlicher Bahnunfälle wie in Hordorf. „Es häuft sich, dass entsprechende Vorkommen an die Aufsichtsbehörde gemeldet werden müssen“, heißt es bei der Bahn. Diese offizielle Behörde ist das EBA in Bonn.Den Sicherheitsstandards beim Zugverkehr hat die Entwicklung längst geschadet. Offiziell wird über das Thema nicht gern geredet – weder beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA), das die Aufsicht über den Zugverkehr in Deutschland hat, noch bei der Deutschen Bahn, deren Konzerntochter DB Netz den Betrieb auf den Trassen für alle Bahnen organisiert.
Prüfung ohne staatliche AufsichtVor der Privatisierung des Bahnverkehrs gab es nur ein Unternehmen, das bestimmte, wer als Lokführer fahren darf. Die Deutsche Bahn bietet bis heute eine dreijährige Ausbildung zum Lokführer an. Die offizielle Bezeichnung lautet „Eisenbahner im Betriebsdienst“. Doch seitdem auch Konkurrenten Personen- und Güterstrecken befahren dürfen, ist der Bedarf an Lokführern in die Höhe geschnellt. Aktuell gibt es rund 26.000 – und der Bedarf ist weitaus höher. Allein die Deutsche Bahn sucht aktuell 500 Lokführer. Hinzu kommen die vielen offenen Stellen bei Privatbahnen – Leute, die Bahnen fahren können, sind Mangelware. Da sind Überstunden fast zwangsläufig. Gleichzeitig werden landauf, landab Menschen aus anderen Berufen zum Lokführer umgeschult.
„Es gibt zwar inzwischen einen einheitlich zertifizierten Führerschein“, sagt Diener. Aber nirgends im Land werde zentral erfasst, wer alles über eine solche Betriebserlaubnis verfügt. Denn die Prüfung zum Lokführer erfolgt nicht zentral unter staatlicher Aufsicht. Jedes Bahnunternehmen beschäftigt einen sogenannten Eisenbahnbetriebsleiter. Der bestimmt, wer fahren darf – und so mancher Eisenbahnbetriebsleiter macht Leute zu Lokführern, die keinerlei Eignung haben, die nichts über Streckenbesonderheiten wissen und mit den Steuerpulten der Lokomotiven fremdeln.
„Derzeit legt das jeweilige Bahnunternehmen, das Lokführer sucht, die Ausbildungszeit fest“, sagt Diener. Das kann ein halbes Jahr oder ein Jahr sein, je nachdem wie viele Mitarbeiter gesucht werden. Werden schnell neue Lokführer gebraucht, dann spart man halt an der Ausbildungszeit. „Es ist dringend notwendig, dass eine öffentliche Stelle diese Ausbildung begleitet und die Prüfung abnimmt, zum Beispiel eine Industrie- und Handelskammer“, sagt Diener.
Wer lange genug im Bahn-Konzern recherchiert, bekommt schließlich einige spärliche Informationen. Demnach wurden in den vergangenen Jahren viel häufiger als früher Haltesignale überfahren. Solche „meldepflichtigen Vorfälle“ stehen fast immer am Anfang tödlicher Bahnunfälle wie in Hordorf. „Es häuft sich, dass entsprechende Vorkommen an die Aufsichtsbehörde gemeldet werden müssen“, heißt es bei der Bahn. Diese offizielle Behörde ist das EBA in Bonn.Den Sicherheitsstandards beim Zugverkehr hat die Entwicklung längst geschadet. Offiziell wird über das Thema nicht gern geredet – weder beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA), das die Aufsicht über den Zugverkehr in Deutschland hat, noch bei der Deutschen Bahn, deren Konzerntochter DB Netz den Betrieb auf den Trassen für alle Bahnen organisiert.
Aufseher überfordert
Das EBA ist auch dafür zuständig, das Niveau der Ausbildung im Blick zu behalten. Doch das überfordert die Kapazitäten der Aufseher. Eine effektive Kontrolle der Arbeitszeiten scheitert im föderalen Deutschland am typischen Bund-Länder-Wirrwarr. Für die Überwachung der Arbeitszeiten von Lokführern sind die Bundesländer zuständig. Entsprechende Kontrollen haben Seltenheitswert. Das EBA selbst ermittelt erst, wenn das Unglück schon geschehen ist.
In der Theorie gibt es zwar seitenlange Vorschriften für jeden Lokomotivtypen. So ist für zahlreiche deutsche Bahnhöfe, die aufgrund ihrer Lage schwer anzusteuern sind, eine „Richtlinie Standort“ hinterlegt. Die muss ein Lokführer gründlich lesen, dann muss er mit einem erfahrenen Kollegen die Einfahrt in den schwierigen Bahnhof üben. Das aber, sagt Lokführer Bernhard „wird so gut wie nie überprüft.“
Bislang ist der politische Wille, an dem System etwas zu ändern, nicht besonders ausgeprägt. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen. Denn die mangelnde Überprüfung der Lokführer und ihrer Ausbildung verweist auf einen grundsätzlichen Misstand, den es seit der Liberalisierung des Bahnverkehrs in Deutschland gibt. Kaum ein öffentlicher Sektor ist in Deutschland so detailliert geregelt wie die Bahnbranche. Aber viele Vorschriften, Abläufe und Regelungen stammen aus der Zeit, als ausschließlich die Deutsche Bahn die Schienen mit Zügen befuhr. „Die Regelungsdichte hat nicht mit der Liberalisierung Schritt gehalten“, sagt Helmut Diener.Immerhin kontrolliert das EBA Ausbildungsschulen für Lokführer – so effizient, wie das eine Bundesbehörde eben kann, bei der jedes Jahr weitere Stellen abgebaut werden. „Wir beschränken uns auf Stichproben“, gesteht ein Beamter. Zwei Lokfahrschulen hat das EBA im vergangenen Jahr die Zulassung entzogen. „Das Hauptproblem ist doch, dass die Bahnunternehmen am Ende selbst bestimmen, wer die Prüfung besteht oder nicht“, sagt der Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky. Die Anbieter seien wirtschaftlichen Zwängen unterworfen. „Die Bewertungskriterien, wer bestanden hat oder nicht, können daher nicht objektiv sein. Wir brauchen eine Zertifizierung der Firmen.“
Fehlanzeige bei Fahrtenschreibern
Und es hapert, anders als beispielsweise bei Lastwagen mit ihren Fahrtenschreibern, an effektiver Kontrolltechnik in den Loks an der Spitze der Güterzüge. Zwar wird in einem Protokoll erfasst, zu welcher Zeit ein Zug Ortschaften passiert hat. „Punktförmige Zugbeeinflussung“ heißt das. Sie zeichnet Fahrtverlauf, Strecke und Tempo auf sowie Signale, die gedrückt wurden. „Aber all das ist auf das Fahrzeug bezogen, nicht auf den Fahrer. Jeder Schalterdruck wird dokumentiert, nicht aber, wer es getan hat“, so Diener. Er fordert ein härteres Kontrollsystem, bei dem Personennummern eingegeben werden müssen. „Dann wird klar, wer wann was getan hat.“
Was mancher Lokführer an seinem Pult so treibt, berichtet Tom Bernhard. „Den Totmannknopf kann man meist abschalten. Viele machen das“, sagt der Lokführer. Dabei handelt es sich um jenen Kontrollschalter, den ein Zugführer alle 30 Sekunden drücken muss. Bernhard berichtet davon, dass viele mit ihren Güterzügen rasen und dass die fällige Bremsprobe, die vor jeder Fahrt vorgeschrieben ist, längst nicht immer gemacht wird. „Bei einem Unternehmen, wo ich früher war, hieß es einmal: ‚Der hat gestern gut gebremst, das wird er auch heute tun‘“, sagt Bernhard.
Einer EU-Verordnung zufolge soll bis Ende 2012 ein Register eingeführt werden, in dem vermerkt ist, wer in Deutschland alles eine Erlaubnis zum Fahren einer Lokomotive hat. Allerdings ist zwischen Bund, Länderbehörden und EBA noch immer nicht geklärt, wer diese Liste dann führen soll.
Und ein noch größeres Problem taucht bislang gar nicht auf der Agenda der Aufsichtsbehörden auf: Es gibt nicht nur schlecht bezahlte, dauerarbeitende Lokführer, die bei dubiosen Verkehrsunternehmen angestellt sind. Mittlerweile sind sogar Ich-AGs im Führerstand unterwegs: Lokführer, die sich auf eigene Rechnung Bahnunternehmen anbieten. Vor allem kleinere Güterspediteure nutzen gern ihre Dienste. Für diese Lokführer entfallen von vornherein Arbeitszeit und sonstige Schutzregeln. Wenn sie 20 Stunden fahren, dann ist das eben so. Da kann keine Aufsichtsbehörde etwas tun.
Das EBA ist auch dafür zuständig, das Niveau der Ausbildung im Blick zu behalten. Doch das überfordert die Kapazitäten der Aufseher. Eine effektive Kontrolle der Arbeitszeiten scheitert im föderalen Deutschland am typischen Bund-Länder-Wirrwarr. Für die Überwachung der Arbeitszeiten von Lokführern sind die Bundesländer zuständig. Entsprechende Kontrollen haben Seltenheitswert. Das EBA selbst ermittelt erst, wenn das Unglück schon geschehen ist.
In der Theorie gibt es zwar seitenlange Vorschriften für jeden Lokomotivtypen. So ist für zahlreiche deutsche Bahnhöfe, die aufgrund ihrer Lage schwer anzusteuern sind, eine „Richtlinie Standort“ hinterlegt. Die muss ein Lokführer gründlich lesen, dann muss er mit einem erfahrenen Kollegen die Einfahrt in den schwierigen Bahnhof üben. Das aber, sagt Lokführer Bernhard „wird so gut wie nie überprüft.“
Bislang ist der politische Wille, an dem System etwas zu ändern, nicht besonders ausgeprägt. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen. Denn die mangelnde Überprüfung der Lokführer und ihrer Ausbildung verweist auf einen grundsätzlichen Misstand, den es seit der Liberalisierung des Bahnverkehrs in Deutschland gibt. Kaum ein öffentlicher Sektor ist in Deutschland so detailliert geregelt wie die Bahnbranche. Aber viele Vorschriften, Abläufe und Regelungen stammen aus der Zeit, als ausschließlich die Deutsche Bahn die Schienen mit Zügen befuhr. „Die Regelungsdichte hat nicht mit der Liberalisierung Schritt gehalten“, sagt Helmut Diener.Immerhin kontrolliert das EBA Ausbildungsschulen für Lokführer – so effizient, wie das eine Bundesbehörde eben kann, bei der jedes Jahr weitere Stellen abgebaut werden. „Wir beschränken uns auf Stichproben“, gesteht ein Beamter. Zwei Lokfahrschulen hat das EBA im vergangenen Jahr die Zulassung entzogen. „Das Hauptproblem ist doch, dass die Bahnunternehmen am Ende selbst bestimmen, wer die Prüfung besteht oder nicht“, sagt der Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky. Die Anbieter seien wirtschaftlichen Zwängen unterworfen. „Die Bewertungskriterien, wer bestanden hat oder nicht, können daher nicht objektiv sein. Wir brauchen eine Zertifizierung der Firmen.“
Fehlanzeige bei Fahrtenschreibern
Und es hapert, anders als beispielsweise bei Lastwagen mit ihren Fahrtenschreibern, an effektiver Kontrolltechnik in den Loks an der Spitze der Güterzüge. Zwar wird in einem Protokoll erfasst, zu welcher Zeit ein Zug Ortschaften passiert hat. „Punktförmige Zugbeeinflussung“ heißt das. Sie zeichnet Fahrtverlauf, Strecke und Tempo auf sowie Signale, die gedrückt wurden. „Aber all das ist auf das Fahrzeug bezogen, nicht auf den Fahrer. Jeder Schalterdruck wird dokumentiert, nicht aber, wer es getan hat“, so Diener. Er fordert ein härteres Kontrollsystem, bei dem Personennummern eingegeben werden müssen. „Dann wird klar, wer wann was getan hat.“
Was mancher Lokführer an seinem Pult so treibt, berichtet Tom Bernhard. „Den Totmannknopf kann man meist abschalten. Viele machen das“, sagt der Lokführer. Dabei handelt es sich um jenen Kontrollschalter, den ein Zugführer alle 30 Sekunden drücken muss. Bernhard berichtet davon, dass viele mit ihren Güterzügen rasen und dass die fällige Bremsprobe, die vor jeder Fahrt vorgeschrieben ist, längst nicht immer gemacht wird. „Bei einem Unternehmen, wo ich früher war, hieß es einmal: ‚Der hat gestern gut gebremst, das wird er auch heute tun‘“, sagt Bernhard.
Einer EU-Verordnung zufolge soll bis Ende 2012 ein Register eingeführt werden, in dem vermerkt ist, wer in Deutschland alles eine Erlaubnis zum Fahren einer Lokomotive hat. Allerdings ist zwischen Bund, Länderbehörden und EBA noch immer nicht geklärt, wer diese Liste dann führen soll.
Und ein noch größeres Problem taucht bislang gar nicht auf der Agenda der Aufsichtsbehörden auf: Es gibt nicht nur schlecht bezahlte, dauerarbeitende Lokführer, die bei dubiosen Verkehrsunternehmen angestellt sind. Mittlerweile sind sogar Ich-AGs im Führerstand unterwegs: Lokführer, die sich auf eigene Rechnung Bahnunternehmen anbieten. Vor allem kleinere Güterspediteure nutzen gern ihre Dienste. Für diese Lokführer entfallen von vornherein Arbeitszeit und sonstige Schutzregeln. Wenn sie 20 Stunden fahren, dann ist das eben so. Da kann keine Aufsichtsbehörde etwas tun.
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